Professorin Ulrike Kramm im Interview mit ProLOEWE
Auf der Suche nach ressourcenschonenden Lösungen für Energieanwendungen
21.08.2020 von Tanja Desch von ProLOEWE
ProLOEWE, das Netzwerk der LOEWE-Forschungsvorhaben, stellt in der neuen Ausgabe ihres ForschungsmagazinsProfessorin Ulrike Kramm, Mitglied des Profilbereichs Energiesysteme der Zukunft, vor und spricht mit ihr über ihre Forschungsarbeit beim LOEWE-Schwerpunkt Flame.
Frau Professor Kramm, mit dem Fachgebiet für Katalysatoren und Elektrokatalysatoren, arbeiten Sie am LOEWE-Schwerpunkt FLAME. Was genau erforschen Sie?
Mit Blick auf den LOEWE-Schwerpunkt FLAME (Fermi Level Engineering Antiferroelektrischer Materialien für Energiespeicher und Isolatoren) mag die Bezeichnung meines Fachgebiets zunächst irreführend sein. Tatsächlich bin ich bei FLAME nicht aufgrund meiner Katalysatorenexpertise, sondern wegen meines Fachwissens im Bereich der Mössbauerspektroskopie. Die Mössbauerspektroskopie ist eine elementspezifische Methode, mit der Aussagen zur Umgebung bestimmter Elemente getroffen werden können. Zum Beispiel kann man erkennen, ob ein Element metallisch oder oxidiert vorliegt. Unsere Arbeiten fokussieren auf die lokale Umgebung: zum Beispiel die Frage wie viele und welche Bindungspartner vorliegen. Mit dem Einsatz dieser Methode möchten wir herausfinden, wie kleinere Änderungen in der Zusammensetzung der untersuchten Strukturen sich auf die lokale und elektronische Umgebung einzelner Metalle auswirken und inwieweit oder ob dies überhaupt mit den antiferromagnetischen Eigenschaften einhergeht. Im Rahmen von LOEWE FLAME analysieren wir vor allem die Umgebung von Zinn in bleihaltigen Antiferroelektrika, um zu sehen, welche Bedeutung dieses Element für die gewünschten Eigenschaften hat. Diese Informationen benötigen wir zur Entwicklung neuer, bleifreier Antiferroelektrika, die man z. B. für Energiespeicher nutzen kann.
Physik und Mathematik als Leistungskurse in der Oberstufe waren sicher hilfreich, um heute in diesem Bereich der Forschung zu arbeiten. Wie kam es, dass Sie sich bereits als Teenager für Naturwissenschaften interessierten?
Tatsächlich fand ich es nie ungewöhnlich, dass mich Mathematik und Physik interessieren. Beide Fächer haben nach meinem Empfinden gegenüber künstlerischen oder geisteswissenschaftlichen Fächern den Vorteil, dass sie eine klare Struktur haben und es – zumindest bezogen auf das Schulwissen – eine klare Zuordnung von richtig und falsch gibt.
Meine Lehrer haben immer sehr stark betont, dass man sich vergegenwärtigen muss, mit welch einfachen Mitteln eine Vielzahl großer wissenschaftlicher Erkenntnisse gemacht wurden. Das hat mein Interesse an Wissenschaftsgeschichte und die Naturwissenschaften als solches sicherlich zusätzlich gefördert. Zum Beginn der Oberstufe war auch ein gewisser Pragmatismus dabei, da ich in beiden Fächern mit weniger Aufwand bessere Leistungen erbringen konnte, als ich es vermutlich in anderen Fächern gekonnt hätte.
Was macht Ihrer Meinung nach das hessische Forschungsförderungsprogramm LOEWE (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) besonders bzw. welche Möglichkeiten gibt es Ihnen in Ihrer Arbeit, die Sie sonst nicht gehabt hätten?
Bezogen auf das Antragsvolumen, ist die Antragstellung bei der LOEWE-Forschungsförderung relativ gradlinig und zügig, so dass zwischen der Definition der Forschungsfrage und dem eigentlichen Projekt nicht zu viel Zeit verstreicht. Insbesondere bei stark beforschten, aktuellen Themen kann dies den entscheidenden Zeitvorteil ausmachen, um ein Thema an einer hessischen Universität zu etablieren und damit den Wissenschafts- und nicht zuletzt auch Wirtschaftsstandort Hessen zu stärken.
Im LOEWE-Schwerpunkt FLAME gibt es zudem ausgeprägte Quervernetzungen zwischen den beteiligten Forschungs-Disziplinen. Diesen interdisziplinären Ansatz finde ich für die Ausbildung von Promotionsstudierenden sehr vorteilhaft, weil früh geübt wird, Fachwissen allgemeinverständlich zu präsentieren, oder den „Sprachen“ der verschiedenen Disziplinen anzupassen, das hilft später bei größeren Konferenzen oder auch Meetings in Unternehmen, bei denen Interdisziplinarität gefragt ist.
Sie sind seit mehr als zehn Jahren als Wissenschaftlerin an verschiedenen Universitäten tätig, in welchen Bereichen bedürfte es Ihrer Meinung nach im „wissenschaftlichen Betrieb“ Nachbesserungsbedarf? Und: Was machen wir an deutschen Universitäten vielleicht auch besser als in anderen Ländern?
In Deutschland ist die Forschung sehr gut strukturiert und mehr von der wissenschaftlichen Fragestellung geleitet, als von dem Impact der jeweils folgenden Publikation. Dadurch sind wir weltweit vielleicht in den Rankings nicht ganz vorne dabei, dafür erhalten die Studierenden hier aber das Werkzeug zum freieren wissenschaftlichen Denken als in manchen anderen Ländern. Um langfristig mehr exzellente Forschende zu halten, muss Deutschland konkurrenzfähiger werden, insbesondere die Zukunftsperspektiven für junge Forschende im oder nach dem Postdoc müssen weiter verbessert werden. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind für beide Elternteile wichtig. Gerade in Westdeutschland kann man in diesem Bereich auch noch von den ostdeutschen Bundesländern lernen. Kinderbetreuung sollte nichts sein, für das man kämpfen muss, sondern was man als Service beanspruchen kann.
Auch wenn man als Wissenschaftlerin seiner Arbeit meist mit großer Leidenschaft nachgeht, braucht man einen Ausgleich zum Job. Worin besteht der für Sie?
Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Dadurch wird man ganz gut geerdet und bekommt (manchmal auch ungewollt) Ablenkung. Daneben hilft mir der Sport – aktuell überwiegend Joggen – beim Abschalten.
Das Interview führte Tanja Desch von ProLOEWE.
Das Original-Interview ist in der (wird in neuem Tab geöffnet) erschienen. August-Ausgabe 2020 der ProLOEWE News